Soloshow 20.02 - 18.04.2021
Text: Ann-Katrin Günzel
Der Düsseldorfer Künstler Ralf Brueck zeigt bei Kunst & Denker Contemporary vom 20.2. – 18.4. 2021 mit der Ausstellung „Disappear“ beeindruckende Naturschauspiele – gewaltig in die Tiefe stürzende, von dichter Gischt vernebelte Wassermassen der Niagara Fälle, ein dickes Knäuel zusammengeballter Wolkenmassen, die sich wie ein Feuerball am Himmel erheben; die mächtige Brandung des Atlantiks oder bizarre Formationen einer Tropfsteinhöhle. Es ist die Natur in ihren elementaren, beständig vorhandenen Formen von Wasser, Feuer, Luft und Stein, gleichzeitig aber sind es mehr oder weniger flüchtige Formen und Formationen, die zum Teil nur im Moment der Fotografie vorhanden sind und sich außerhalb dessen ständig verändern oder gar verschwinden und demnach heute so wie wir sie hier vor uns sehen gar nicht mehr existieren. Dennoch stellt Brueck das flüchtige Bildmotiv in einer wie modelliert wirkenden Monumentalität dar, so als ob er sichtbar machen wolle, dass das Verschwinden als natürlicher Prozess dazugehört und als solcher von Dauer ist. Er erschafft Ewigkeiten im Chaos der ständigen Veränderungen, gerade weil er zeigt, dass es die Bildmotive nur für diesen einen Moment gegeben hat. Wenn überhaupt.
Brueck konzentriert sich dabei auf die Elementarkräfte der Natur, auf Phänomene und Erscheinungen, die wir kennen, die aber in dieser Intensität nicht gerade unseren Alltag bestimmen, sondern zu denen wir zum Teil sogar extra anreisen, um uns von ihrer Schönheit überwältigen zu lassen. Dicht zusammengeballte Kumuluswolken (Cluster, 2021) kennen wir vielleicht noch am ehesten – wenn auch nicht unbedingt in dieser Form – aber das lila schillernde, fast außerirdische Gestein der Tropfsteinhöhle (Liquid Cave, 2021) oder ihre wie ein zuckriges Marshmallow geformten Stalaktiten (Candy Cave, 2021), die sturmgepeitschte, aus der umgedrehten Surferperspektive wahrgenommene Atlantikwelle, die als Naturgewalt heranrollt (Wave 2021) oder die schier undurchdringliche Gischt der Niagara Fälle (Niagara Falls, 2016) sehen wir nur selten. Brueck nimmt diese Motive auf, fügt ihrer momentbezogenen Dramatik aber durch Farb- und Formveränderungen eine exotische Verfremdung hinzu. Die Reise zu diesen Orten erfolgt ins Innere der Bilder. Brueck lässt die von ihm aufgesuchten Orte ungenannt, sie stehen exemplarisch für Landschaftsphänomene, die einen elementaren Eindruck wiedergeben sowie einen emotionalen Zugang und Assoziationen mit anderen Dingen und Phänomenen erlauben. Die Bildtitel beziehen sich zumeist auf die Struktur der Motive, Cluster oder Candy Cave bauschen sich geballt, weich und formbar, liquide ist die fließende Struktur der Tropfsteinhöhle. Das Bild der Natur, das Brueck uns hier präsentiert geht damit über das Gezeigte hinaus. Durch ihre Umwandlung ins Bild wurde Natur immer schon als etwas Ästhetisches verstanden und im ästhetischen Blick künstlerisch verwandelt. Das kann durch digitale Verformung und Färbung gesteigert werden, oder schon durch Veränderung der Größenverhältnisse geschehen, wenn z.B. die unendliche Weite einer amerikanischen Landschaft im Bild ganz klein wird, damit man sie überhaupt überblicken kann (Vermillion, 2021). Ebenso wie die Malerei ein vermitteltes Bild darstellt, ist auch die Fotografie ein künstliches, ein bereits mit Erfahrung, Wünschen und Sehnsüchten, mit Ängsten und Katastrophen aufgeladenes Bild. Und so wird die Öffnung der Tropfsteinhöhle einerseits kathedralhaft ins Architektonische erweitert, zugleich aber zur süßen Verlockung, das Wolkenknäuel steigt wahrhaft überirdisch und bedrohlich in einen strahlenden Barockhimmel auf, und die Welle kippt sprichwörtlich mitreißend in der Gewalt der Brandung, die uns so fasziniert, gerade weil die Wassermassen sich ständig neu formieren, unbestimmt sind und unbestimmbar bleiben. Es ist keine katastrophische, sondern eine erhabene Dramatik der Vergänglichkeit, aber auch der Anwesenheit von natürlicher Schönheit und ästhetischer Wahrnehmung, die wir hier sehen. Blicken wir auf die rot glühende Vulkanlandschaft so sehen wir die feuerspeiende Naturgewalt assoziativ in ihrer Abwesenheit und erkennen die Macht der Natur, die bei aller Veränderung, die nicht nur im natürlichen Wandel, den Gezeiten und Zyklen automatisch passiert, sondern auch derzeit in der Zerstörung und der Ausbeutung der Menschen eine brisante und negative Dimension erfährt und die dennoch immer auch ohne den Menschen weiter existieren wird, denn sie ist Natur, veränderbar, aber in immer neuer Form auch ewig.