03.01 - 01.04.2023
Text: Daniel Schierke
Rundgænger by Schierke Seinecke freut sich, zum ersten Mal eine fotografische Auswahl des umfassenden Œuvres von Ralf Brueck (*1966) zu präsentieren. Das Museum Ratingen hat dem Düsseldorfer Künstler kürzlich eine beeindruckende Werkschau gewidmet. Die in Frankfurt gezeigten Arbeiten entstammen der Serie "Deconstruction" und behandeln das Thema der Architektur. Innen- wie Außenansichten oft ikonischer Gebäude verwandelt Brueck durch digitale Bearbeitung zu abstrakten, teils malerisch, teils zeichnerisch anmutenden Bildern. Ausgebildet an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher und Meisterschüler Thomas Ruffs fügt Brueck der "Düsseldorfer Schule" mit seinem feinen Blick für Details und seinen originellen Bildideen eine bedeutende künstlerische Note hinzu.
Der Titel der Ausstellung "Umwandlung" kann verschiedenartig gelesen werden:
Umwelt und Gesellschaft befinden sich in einem ständigen Umwandlungsprozess. Diese Veränderungen lassen sich beispielhaft an der Architektur ablesen. Darin besteht ein zentrales Thema, das Brueck seit vielen Jahren beschäftigt. In der Architektur werden soziale, technische und ästhetische Aspekte unserer Zeit verhandelt. Die Ausstellung zeigt Orte des Wohnens, Konsumierens und Arbeitens. Damit wird ein breites Spektrum des menschlichen Alltags abgedeckt. Doch Brueck geht es nicht darum, die Gebäude in ihrer Funktion sichtbar zu machen. Sie sind eher Ausgangspunkt seiner künstlerischen Auseinandersetzung.
Darüber hinaus benennt der Ausstellungstitel "Umwandlung" Ralf Bruecks virtuosen Umgang mit fotografischem Material. Die großen Werkserien seines bisherigen Schaffens seit Ende der neunziger Jahre heißen "Synthese", "Deconstruction", "Distortion" oder "Transformer". Allen Titeln ist das Thema der Bewegung eingeschrieben: Zusammenbringen, Vermengen, Auseinanderlegen, Auseinandernehmen, Verzerren, Verformen oder eben Ver- und Umwandeln. Damit sind Bruecks Anwendungsmodi digitaler Bearbeitung benannt. Wohlgemerkt ist sein Ausgangsmaterial immer zunächst vor Ort selbständig fotografiert worden. Bereits in situ kann er so die Ansicht eines Gebäudes für seine Bildideen auswählen.
"American Bungalow" und "Italian Bungalow" bestehen größtenteils aus feinen, stark in die Länge gezogenen Linien, so dass ein verzerrt verschwommener Eindruck entsteht. Die Bilder wirken, als fahre man mit hoher Geschwindigkeit an den Gebäuden vorbei. Sie lassen sich kaum greifen. Bruecks Bilder verbleiben oft im Vagen und lassen dem Betrachtenden viel Raum für eigene Interpretationen.
"Chain of Command" setzt sich aus Quadraten, rechteckigen Flächen und vertikalen Linien zusammen. Der Bildaufbau lehnt sich an die aus der Malerei bekannte geometrische Abstraktion an. Die frontale Perspektive des Querformats verleiht dem Bild eine besondere Tiefe. Die Lichtpunkte, die das Bild mittig durchziehen, lassen an eine unleserliche Schrift denken. Handelt es sich dabei um die im Titel benannte "Befehlskette", die zur codierten Lichterkette wird?
Das Bild "Holo" zeigt einen in Schwingung geratenen Raum. Einzig ein Stück des Bodens bietet etwas Orientierung. Bei "Scope” dagegen wird die räumliche Orientierung ad absurdum geführt. Was oben und was unten ist, lässt sich schwerlich ausmachen. Genau diese Rätselhaftigkeit ruft zur ständigen Überprüfung des Gesehenen auf. Mit "Wirtschaftswunder" bilden die vier letztgenannten Arbeiten eine Gruppe von Innenansichten. Sie werden entweder von natürlichem oder künstlichem Licht erhellt. "Wirtschaftswunder" strahlt Wärme und Zuversicht aus und symbolisiert die vermeintlich unbeschwerten Jahre des deutschen Aufschwungs nach dem Krieg. Doch die das Bild durchziehenden Schatten erinnern daran, dass sie ständiger Begleiter des Lichts sind.
Die drei kleinformatigen Ausstellungsbilder zeigen das Innere eines Gebäudefoyers. Zunächst scheint alles an seinem Platz zu sein. Plötzlich löst sich ein Element der Säule, Wandelemente werden zerteilt und multipliziert. Die ursprüngliche Ordnung geht verloren. Was zunächst sachlich und aufgeräumt wirkt, bekommt schlagartig etwas Unlogisches und sogar unfreiwillig Komisches.